|   
 Die
                  Perureise
 
 Ein
                  Reisetagebuch von Harri
                  Schemm
 
 
 Hier
                  auch als PDF-Datei zum Runterladen:
                  Schemm_Die_Perureise.pdf
                  (1,36 MB)
 
 
 
 
 
 Lima
                  8.1.1995
 
 Nach einem angenehmen Flug mit Air France, der
                  durch eine nette Reisebekanntschaft verkürzt
                  wurde, gut in Lima angekommen.
 Der Reihe nach.
 
 Johanna aus Deggendorf, eine Ärztin, saß
                  während des Fluges seit Paris neben mir. Sie
                  war knapp 40, recht hübsch; lange, lockige
                  dunkle Haare, lange schlanke Beine. Sie besucht
                  ihren Freund in Lima, will einige Zeit hier
                  bleiben, hat sich deshalb für 1 ½ Jahre
                  beurlauben lassen. Überpünktlich am 7.
                  angekommen, ca. 21 Uhr 15. Die Temperatur
                  beträgt 22 Grad Celsius, in Deutschland hatte
                  es -15 Grad. Abschied von Johanna.
 
 Betty Stürmer und Fernando Bryce samt Vater,
                  Fernando Bryce Senior, erwarten mich. Große
                  Freude! Fahrt nach Miraflores zum Hotel in die
                  Calle Bolognese. Hier lieg ich gerade nach tiefem
                  Schlaf in bester Laune erwacht. Eben mit Fernando
                  telefoniert, will in ein billigeres Zimmer
                  umziehen. Oh je, das Geld! Beiseite damit!
 
 Gestern zuerst ins Cafe Haiti, Limas
                  "Meisengeige".
 Was für sexy Chicas doch vorbeiflanieren.
                  Leider soll das Limas einziges Viertel sein, in dem
                  das Dolce Vita in solch edler Weise stattfindet,
                  sagt Fernando. Die Altstadt soll indianisch
                  geprägt und von der Politik sehr
                  vernachlässigt sein (leerstehende Häuser,
                  Müllberge).
 
 Also, wir sitzen im Cafe Haiti. Wie bestellt laufen
                  die Lieder, die wir in Berlin bei unserer
                  gemeinsamen Performance sangen: "Cielito Lindo" ,
                  "A Ya Nel Rancho Grande". Wir trinken Cerveza und
                  Pisco Sour. Dieses Cafe ist 60er Jahre, alte und
                  junge Leute sitzen hier, alte und junge
                  Mädchen. Auf drei Gäste ein Kellner.
 
 
   Autos schießen ohne Unterlass vorbei,
                  erstaunlich moderne Wagen und Busse. Aber wie
                  gesagt, wir sind in einem Ausnahmeviertel.
                  Egal.
 
 Euphorie erfasst mich. Allein die milde Luft
                  erinnert mich an San Francisco, wieder am Pazifik.
                  Dann passiert etwas Seltsames, wir treten wieder
                  auf die Straße - und es regnet! Ein
                  Sprühen wie von einem Rasensprinkler. Ich bin
                  2 Stunden in Lima und darf so eine Art Regen
                  erleben! Andere sind Jahre hier, ohne in den Genuss
                  dieses Naturphänomens zu kommen. Ich sehe es
                  als gutes Omen.Wir gehen noch in die Bodega neben
                  meinem Hotel, verliebte Paare in einem Patio.
 
 Hier wurde ich unterbrochen, Fernando und Betty
                  sind da, wir beginnen den Sonntag. Zuerst mit dem
                  Taxi zu Fernandos Elternhaus, der Taxifahrer soll
                  auf die Rückseite des Hospital Larco Herrera
                  fahren, das scheint so eine Art Nervenklinik zu
                  sein, oder drastischer ausgedrückt ein
                  berühmtes Irrenhaus. Es ist jedenfalls eine
                  gute Gegend, die Cesar Vallejo 170, sehr
                  kalifornisch anmutende Häuser, mit Rasen und
                  gestutzten Hecken.
 
 
 Dazwischen herrliche Blumen, unwirklich satte
                  Blüten, die Farben sind rico, reich,
                  schön, bezaubernd. Auch das Innere des Hauses
                  ist sehr - ich nenne es einfach mal - Americano
                  Pacifico. Nur der Vater ist zu Hause und liest
                  Zeitung.
 
 
 Hier deponiere ich mein Flugticket, meine Schecks,
                  meinen Pass.
 Es geht zum Strand, ein Börsenmakler und seine
                  Frau, die eine Galerie betreibt, haben zum
                  Mittagessen geladen. Wir fahren ca. 40 km
                  südlich auf der Pan Americana, vorbei an den
                  Siedlungen der Neuankömmlinge, auch an der
                  Siedlung San Salvator, deren Vorbildcharakter auch
                  mein Reiseführer abhandelt (Nobel-Preis
                  Nominierung). Eine Bekannte von Fernando arbeitet
                  dort als Sozialarbeiterin, wir könnten uns mal
                  umschauen. Dann Punta Hermosa, ein Ort am Strand,
                  eine Masse Sonntagsausflügler.
 
 Betty kann es kaum fassen, wie viele Kids sich in
                  der Brandung tummeln (wie die Tümmler). Essen
                  bei Maklers, etwas seltsam, der Gastgeber scheint
                  verkatert, seine Frau Fernanda zeigt uns ihr
                  Hostal, es sieht von außen aus wie Jacht
                  (architektonisches Späßchen). Hat
                  kleinen Swimmingpool. Will für ihr bestes
                  Doppelzimmer 40 US Dollar. Schluck.
 
 Vielleicht trotzdem 3 Tage dort wohnen, es gibt
                  jedenfalls Motive. Mit dem Mikro (ein Kleinbus)
                  zurück nach Lima, diesmal auf der alten
                  Straße. "JESUS IST MEIN COPILOT"
                  verkündet der Busfahrer mittels eines
                  Aufklebers an der Frontscheibe, na gut. Eine
                  grüne Insel durchfahren wir, sonst ist ja
                  alles Wüste.
 
 CABALLOS POR PASSEO stehen da, schon gesattelt.
                  Dann wird es hart, wir kommen in die Slums.
                  Wären wir Touristen hier zu Fuß
                  unterwegs, würden wir nicht lange leben. Ich
                  sah ein schwarzes Mädchen in Lumpen gekleidet,
                  die so schwarz oder grau wie sie selbst waren. Es
                  sah aus wie ein Inferno, die Häuserfronten
                  rußig, als ob nachts die Höllenfeuer
                  loderten, ohne Quatsch.
 
 Kurz darauf steigen wir aus und gehen über
                  einen Markt Richtung Innenstadt, Schuhe, billige
                  Kleidung. Betty will 100 Minnies (Minni-Maus als
                  Kinderhandtasche) kaufen. Das Zentrum ist ein
                  Markt. Straßenhändler, Kitsch,
                  Kassetten-Verkäufer, Taumel, Durst.
 
 Der Taxifahrer hält mich wieder mal für
                  Pavarotti, der gleichzeitig mit mir in Lima ankam.
                  Wir fahren nach Barranco, dem Künstlerviertel
                  von Lima. Wir gehen in Fernandos Stammlokal und der
                  Wirt begrüßt ihn mit Handschlag.
                  Fernando verkehrt seit frühester Jugend bei
                  Juanito. Eine Bodega in Familienbesitz, seit
                  Ewigkeiten unverändert.
 
 Bier vom Pitcher - Jarra (Krug). Vorbei am
                  "Malereiministerium", dem Haus des
                  größten lebenden peruanischen Malers:
                  Fernando de Szyzlo, noch nie von gehört, und
                  an der Burg von Vargas Llosa.
 Nach Hause. Tiefschlaf.
 
 Am Montag, den 9.1., mit nicht gekannter
                  Erfrischung erwacht. Ich rufe Fernando an, haue ihn
                  aus den Federn. Er geht mit mir AMEXCO Schecks
                  wechseln, das ist in Lima gar nicht so einfach.
                  Erst die 3. Bank, die Banco Credito, bietet im 2.
                  Stock diesen Service an und hier muss man noch drei
                  Instanzen durchlaufen. Wir nehmen einen Cafe
                  Cortado (mit Milch) im Cafe Haiti,
                  anschließend in Papier- und Malerläden,
                  kaufen Blumen, denn ich bin bei seinen Eltern zum
                  Essen eingeladen.
 
 Olga, die Haushaltshilfe (sie will zu ihrer
                  Verwandtschaft nach Kanada auswandern), steht
                  bereits in der Küche, sie macht uns Limonade,
                  sie kocht kreolisch (Hühnerfrikassee in einer
                  Sauce aus Milch, Nüssen, Knoblauch, Brot,
                  Parmesan ...).
 
 Den Knoblauch kann man im Supermarkt, in
                  Plastiktüten, bereits geschält, kaufen.
                  Fernando reicht Scotch on the Rocks als Aperitiv.
                  Ich lerne seine Mutter und die Geschwister Alex und
                  Lucia kennen, liebenswerte Menschen.
 Betty hat vor Jahren in Barcelona einen Fotografen
                  kennen gelernt, einen gewissen Vargas. Er hat sie
                  natürlich abgelichtet, hat ihr die
                  versprochenen Abzüge jedoch nie zugeschickt.
                  Jetzt, hier in Peru, zeigt ihr Alex eine
                  Fotozeitschrift: BETTY-HALBAKT VON VARGAS. Kannste
                  mal wieder sehn! Alex studiert übrigens
                  Fotografie.
 
 Der erste Gang ist der Stolz der peruanischen
                  Küche, CEVICHE: Roher Fisch, in diesem Fall
                  Forelle und Seezunge, wird kurz in Limonensaft (die
                  größeren, nicht so milden Limonen werden
                  bevorzugt) mariniert, dann vermischt mit roten
                  Cillischoten, Salz, Petersilie und
                  Korianderblättern, Knoblauch (darf auch
                  weggelassen werden) und roter Zwiebel. Dazu werden
                  gekochte Kartoffeln und sehr große
                  geröstete Maiskörner gereicht.
 
 Wir trinken Bier und italienischen Pinot Grigio,
                  Pisco, jung und alt, Kaffee. Als Dessert werden
                  Mangos und Schokoladenkuchen gereicht.
 Un paseo al mar.
 
 Durch ein malerisches kleines Viertel, ein
                  ehemaliges Slum, das Betty auf Wunsch der Familie
                  Bryce immer meiden sollte. Hellblaue und rosa
                  Häuser, kleine Läden, eine kleine
                  Taberna. Fußball spielende Kinder wie
                  seinerzeit in der Witzlebenstraße. Runter zur
                  Costa Verde, Füße ins Meer.
                  Schaum-Schmutz.
 
 Ein etwa 4jähriger Junge pinkelt in eine
                  Plastikflasche, riecht erst mal, gibt etwas Sand
                  rein, schüttelt, klatscht die Masse auf einen
                  Stein, grad wie ein europäischer
                  Performancekünstler.
 
 Wir gehen ins "LA ROSA NAUTICA". Belle Epoche.
                  Obwohl wir nicht fein gekleidet sind, haben wir als
                  Weiße kein Problem rein zu kommen. Ich
                  äußere Fernando gegenüber, dass
                  WHITE TRASH in Peru anscheinend nicht existiert. Er
                  bestätigt meine Annahme. Die Hippies
                  früher waren so was, sagt er.
 
 Reiche Mestizinnen halten Kaffeeklatsch. Man kann
                  die Surfer beobachten. Slot Machines, 11 Soles
                  verspielt. Wir besuchen Fernandos Ausstellung, er
                  ist frustriert, weil er noch kein Bild verkauft
                  hat. Unterwegs, im Supermarkt (wie in den U.S.A.),
                  kaufen wir Bier.
 
 Wir besuchen Gilda Mantilla und Rodrigo Quijano.
                  Gilda malt. Ein Bild von ihr "Die Idee der Frau"
                  hat es mir angetan, ich will es kaufen. Gilda ist
                  eine schöne spanische Frau. Ihr Freund Rodrigo
                  ist ein alter Kumpel von Fernando, er ist Poet. Er
                  lebt vom Journalismus. Sie wohnen in einem
                  Apartment im 8. Stock. Wir trinken, rauchen. Ein
                  Fotoband, indianischer Fotograf aus Cuzco, super
                  Fotos. Kann ich Fotokopien haben?
 
 Wir gehen Pizza essen. Betty fühlt sich nicht
                  gut und geht mit Fernando heim. Gilda, Rodrigo und
                  ich fahren mit Rodrigos Käfer noch zu Juanito
                  nach Barranco, trinken noch 3 Jarras, unterhalten
                  uns angeregt. Gilda hat einen sehr schönen
                  Mund.
 
 Ein Freund, auch Poet, setzt sich zu uns, Domingo.
                  Voller Stolz zeigt er uns ein Bändchen, seine
                  Erstveröffentlichung: IL PASTOR DE LOS PERROS.
                  Wir verabschieden uns mit der gegenseitigen
                  Absichtserklärung, uns bald wieder sehen zu
                  wollen.
 
 
 10.1.1995
 
 Rodrigo holt mich im Hotel ab. Wir fahren zu
                  Fernando.
 Ich habe die Malsachen dabei, will CESAR VALLEJO,
                  Fernandos Straße, malen. Ich tue es auch.
 
   Kinder umringen mich, die Müllmänner sind
                  sympathisches Publikum. Einer sitzt oben auf dem
                  Lastwagen, noch im Davonfahren winkt er mir zu. Das
                  Bild gelingt. Jeder ist angetan. Ich fühle
                  mich wie immer nach einem gelungenen Bild
                  erleichtert.
 Staffeleirestaurierung! Sie hat während des
                  Fluges sehr gelitten.
 
 Fernando bringt mich zu seinem alten Friseur nach
                  Miraflores, teilnahmslos lasse ich mir die Haare
                  schneiden. Bevor ich's vergesse, ein Foto haben wir
                  gemacht: Ich in der Hundehütte des
                  verstorbenen Bryce'schen Hundes, es war eine Dogge.
                  Cafe, China Restaurant, Cafe Haiti, Bodega, Bett.
                  Gute Nacht.
 
 Sitze 9 Uhr morgens im Cafe gegenüber der
                  Banco de Credito und warte, dass sie öffnet.
                  Es ist die einzige Bank, die meine Reiseschecks
                  einlöst. Wollen heute mit der Strandgaleristin
                  (Fernanda) nach Punta Hermosa in deren Hotel
                  fahren. Ich bin sehr skeptisch, es ist ziemlich
                  teuer und ob sie wirklich was abkauft, wage ich zu
                  bezweifeln. Es gibt hier in Lima fast keine
                  Touristen, man erkennt sie ja sofort, die Touristen
                  sind alle in Cuzco ...
 
 Das mit der Bank hat geklappt, sitze nun auf einer
                  Bank, schattig. Im Parque Kennedy. Weiter hetzen,
                  keine Zeit, Termine.
 
 
 12.1.1995
 
 Raus aus dem Hotel, mit dem Taxi zu Fernando, mit
                  dem Taxi zurück in die City, Fernanda ist da,
                  hinten auf dem Pick Up nach Punta Hermosa.
 
 Es gibt keine Post, die Frau, die die Post gemacht
                  hat, wurde vom Ministerium nicht mehr bezahlt. Hab
                  noch keinen Briefkasten, kein Postamt gesehen. Es
                  werden keine Ansichtskarten verkauft, man
                  telefoniert. Die Idee, Betty vor einer roten Wand
                  (Bodega) zu malen.
 
 Calamares, baden im Pazifik, Sunset, Paseo,
                  Galerie... Cerveza en Terazza. Buenas Noches.
 
 
 13.1.1995
 
 Betty tatsächlich vor der roten Wand gemalt.
                  In der Bodega Elvita. Betty ist trotz oder wegen
                  der sehr reduzierten Technik gut getroffen. Baden,
                  fressen, saufen, Urlaub.
 
   Hostal gemalt, Casa Barco, na ja. Fressen, saufen,
                  rauchen, Disco.
 Ich scheiße in die Hose, Josefa. Einige
                  Discos in Peru haben ein besonderes Flair, die
                  Türsteher tragen Uzzis.
 
 
 
 14.1.1995
 
 Alex holt uns mit seinem Freund ab (er sieht sehr
                  dt. aus). Fahren nach Salinas. Ein weiteres Bild
                  entsteht, 35x50 cm. Ich muss mich sehr beeilen,
                  eine Bande Kinder belagert meinen Malkasten.
 
 Ich sage: "NON TOCHAR", da lachen sie bloß
                  und singen "WIR SIND PIRANHAS!" (so nennen sich die
                  marodierenden Kinderbanden). So schlimm wie in
                  Brasilien scheint es nicht zu sein, die Kinder
                  werden nicht von der Polizei erschossen.
 
   Lebe hier in der Scheinwelt der Reichen. Es ist
                  nicht der Mangel an Nahrung, der den gravierenden
                  Unterschied ausmacht. So ein verschlissener Begriff
                  wie Menschenwürde bekommt neue Bedeutung. Die
                  selbstverständliche Unterordnung der
                  Prä-Columbianischen Menschen. Nehme an, dass
                  das in Cuzco anders ist.
 
 Abschweifung: So lange Scheiße malen, bis
                  Gold entsteht. Ständig malen. Die Flamme des
                  Alchimisten darf nicht ausgehen.
 
 1 Portion
 5 Soles (3,50)
 Rinderherz vom Grill
 Restaurant Video Grill
 
 
 15.1.1995
 
 Ich begebe mich ins Haiti und wer sitzt da? Rodrigo
                  und Gilda. Das Mädchen wird immer
                  hübscher, natürlich auch, weil ihre
                  Jugend und Art mich an Eva erinnert, die leider
                  Gottes ständig bei mir ist.
 
 Nachmittags bei Mariella, ihre Eltern sind am
                  Strand. Sie lädt zum Essen in deren Haus.
                  Superreich, Swimmingpool, nur Künstler sind
                  da. Marcella, sie malt. Ihre Schwester,
                  Architektin, hat bei Fernandos Vater studiert.
 
 Suzanna, noch so ein junges Mädel, malt
                  auch:
 "Terroristen haben ein Loch in unser Haus
                  gesprengt,
 mit einer Bombe.
 Das Loch sah aus wie ein Herz.
 Ich hab mich schön angezogen,
 weil ich dachte, es kommt das Fernsehen,
 aber es kam nicht."
 
 Ihr Freund, Kunstkritiker aus Buenos Aires,
 Mirko, ein in Lima bekannter Maler, schöner
                  Mann,
 Will evtl. Prinzenrolle von Fernando kaufen.
 Rodrigo - schreibt ja auch über Kunst.
 Betty, Fernando und meine Wenigkeit.
 
 Centro de Lima. Verlassen, die einst vornehmste
                  Straße Limas. Ein Hostal in einem etwas
                  heruntergekommenen Palast, Zimmer schon für 8
                  Soles (6 Mark). Noch eine Kanne Bier mit R. G. F.
                  B. Müde. Buenas noches.
 
 
 16.1.1995
 
   Heute gemalt in Medalla Milagrosa.
 Die Kids haben mich fast aufgefressen, 20
                  ständig dicht dran. Tuben aufschrauben, in den
                  Dreck schmeißen. Dann wieder ein Stein auf
                  die Leinwand, ich brauche Nerven wie
                  Drahtseile.
 
 Habe das Bild (wie so oft falsch datiert) aber
                  stoisch, fatalistisch zu Ende gemalt und bin mit
                  manchen Stellen recht zufrieden.
 
 Warte gerade vergeblich im Haiti auf Fernando, wir
                  wollten doch kochen bei Rodrigo. Morgen Abend soll
                  es mit dem Bus nach Arequipa gehen. Der teuerste
                  Bus braucht 13 Stunden.
 
 
 
 17.1.1995
 
 Reise vertagt, Fernando muss kotzen. War etwas zu
                  viel für ihn, all die Anstrengungen und
                  Aufregungen der letzten Zeit. Gestern
                  Abendessen.
 
 Dieser Kunstkritiker, Jorge (Horche), kam vorbei,
                  sieht ein bisschen aus wie Buchhändler
                  Jürgen, dürr. Er holt erst mal ein
                  GATORADE aus der Aktenmappe. Sehr gebildet, war
                  jahrelang in England, aber sehr erkennbar ein
                  Papiermensch: "Ich soll da ein Interview mit einer
                  Moskauer Fotografin machen, sehr jung, 24 Jahre,
                  sie ist die Freundin von David Byrne, ich meine,
                  wie komme ich dazu mit der ein Interview zu
                  machen?" "You interview her because she fucks David
                  Byrne!", konnte ich da nur drauf sagen. Ein Plakat
                  an der Kühlschranktür. Name des Malers
                  wird nachgereicht.
 
   
 18.1.1995
 
 2 Museen besucht.
 
 1. Larco Herrera, für Keramiken.
 Besonders die erotischen sind ja bekannt.
 2. Museo Nacional Antropologico.
 
   
 Nettes Modell von Maccu Picu, 2 Vernissagen
                  besucht.
 
 Die kleine Suzanna wiedergesehen, sie trug ein
                  kleines Mädchen in den Armen: "Das ist meine
                  Puppe." Die Suzanna ist eine Marke!
 
 Rodrigo und Gilda. Gilda ist so zurückhaltend,
                  das Gegenteil von Suzanna, Josefa hat schon Recht:
                  "Here is still the good girl and the bad girl. The
                  good girl is to marry, and the bad girl is to
                  fuck."
 
 Gilda is a good girl.
 
  
 Gilda
 
 Mir ist
                  hier nicht mehr Machismo begegnet als in
                  Deutschland, dafür sehr viel mehr romantische
                  Verliebtheit. War vorhin wieder im Parque del Amor,
                  die nehmen es wirklich ernst mit der Liebe.
 Ich durfte Fernandos Tante kennen lernen. Sie ist
                  72 Jahre alt und genau so wie man sich eine
                  südamerikanische Dame vorstellt, raucht viel,
                  trinkt Whiskey. Sie muss einmal eine sehr aparte
                  Erscheinung gewesen sein. Sie ist Liebhaberin
                  deutscher Musik, die italienische Oper gilt ihr gar
                  nichts, darum hätte sie auch keinen Sol
                  ausgegeben, um Pavarotti zu sehen. Nein, ihr Traum
                  wäre es den Tristan in Bayreuth zu sehen.
 
 Sie erzählt von ALTEN ZEITEN. Hat in den 20er
                  Jahren an der Plaza San Martin im Zentrum gewohnt,
                  als es da noch die vornehmen Cafes gab, an denen
                  mit Früchten beladene Esel vorbeigeführt
                  wurden. Sie denkt mit Wehmut an die Tage, als ihr
                  Vater dort Bankdirektor war, er nahm in seiner Bank
                  nur Münzen an, die blitzblank poliert waren.
                  Und jetzt, sagt sie, ist das Zentrum von Lima ein
                  Desaster. Sie hat recht, die Paläste stehen
                  leer und man kann angeblich eine Wohnung für
                  2000,- DM kaufen.
 
 Ist das symptomatisch für den Untergang der
                  Herrschaft der Weißen? Die Erben der
                  Conquistatores scheinen nur wenige produktive
                  Fähigkeiten zu haben. Die JOLOS wirken auf
                  mich erfindungsreicher. Fernandos Tante
                  ernährt sich von Nudeln mit Butter. Sie ist
                  arm.
 
 
 19.1.1995
 
 Bild gemalt. Costa Verde, Küstenstraße,
                  Hochhäuser im Vordergrund ein
                  Fußballplatz ... (das Bild hat Konrad
                  Kügel gekauft)
 
 
   Sitze in der Billig Bodega.
 
 Einer kommt mit einem Sammel-Karton. Er hat einen
                  Bergarbeiterhelm auf und ich verstehe, er sammelt
                  Geld für Mineros, Bergarbeiter.
 
 Laut Reiseführer haben die den härtesten
                  Job, kauen pro Tag 1 Pfund Coca Blätter.
 
 
 20.1.1995
 
 
   Im Himmel
 Es ist dort alles weiß,
 sogar die Feuerwehrautos sind weiß.
 Die rote Ampel ist nicht ganz weiß,
 aber es ist ein ganz helles Rot.
 Und die Ampel wird immer dann rot
 wenn man es sich wünscht,
 wenn eine ganz nette Frau in ihrem Auto
                  ankommt,
 wie eine Mutter,
 die einem ganz viel abkauft
 und sogar noch Geld schenkt,
 das man behalten darf
 und für das man sich was kaufen kann.
 Die Frau ist schön wie die Muttergottes,
                  Maria.
 Meine Freundin hatte eine Jungfrau Maria aus
                  Plastik,
 auf die hat sie manchmal geweint
 und dann war die ganz nass,
 weil meine Freundin krank war und dann gestorben
                  ist,
 Und die Muttergottes hat ihr ihre Mama mit ins Grab
                  gelegt,
 damit sie dort auf sie aufpasst,
 und sie ist jetzt dort wo die Autos so gut
                  riechen
 wie Seife und Waschmittel.
 
 
 
 Zurück in unsere Welt, in die Welt der
                  Reichen. Der Dünnschiss hat mich ans Bett
                  gefesselt. Bin Nachmittags dann doch aus dem Hotel,
                  mit dem Taxi zur Post. Fühle mich absolut
                  schwach. Trinke jetzt Tee im Cafe Schweiz. Die
                  Toiletten sind für Lima super. Es hängt
                  eine Inspektionsliste an der Tür, in die sich
                  jeder Putzer eintragen muss.
 Im Cafe Schweden sind nur die Preise vornehm, die
                  Klos nicht. Im Haiti gehe ich lieber nicht aufs
                  Klo.
 
 
 21.1.1995
 
 Sonntag, wir fahren heute nach Punta Hermosa. Ich
                  bin um 9 Uhr aufgestanden und wie verabredet um 10
                  Uhr in Haiti. Um 11 Uhr ist noch kein Schwanz da.
                  Ich ruf an: "Ja, wir haben verschlafen, aber unsere
                  Eltern fahren uns hin." Okay.
 
 Am Abend im P.H. ist die Ausstellung von Josefa.
                  Mit einem Tänzer und einer Tänzerin aus
                  der Schule von Morella Petrozzi: "I have a dancing
                  school (centro da danza), my mother was a
                  ballerina, I made my BFA in Michigan and my MFA in
                  New York." Sie ist mit ihrer Lebensgefährtin
                  da, die neben der Tanzschule ein Cafe betreibt.
                  Dienstag wollen wir mal vorbeischauen.
 
 Am späteren Abend in Lima, eine Party bei
                  Moiko. Er hat ein wunderschönes Haus mit einem
                  wunderschönen Garten (Dschungel). Die gleiche
                  Besetzung wie immer: Mariella, Gustavo, der
                  argentinische Kritiker, Suzanna, Rodrigo, die
                  angeb. Gilda (ich trau mich gar nicht mehr sie
                  anzusehen), Jorge.
 
 Außerdem ein Medizinmann, unter seiner
                  Anleitung kann man ein Halluzinogen einnehmen, das
                  aus einer Dschungelliane gewonnen wird. Er bietet
                  diese Trips für 25 Dollar an, hat angeblich
                  eine Ausbildung dafür, da diese Droge auch
                  therapeutischen Einsatz findet. Therapeutisch find
                  ich okay, brauche aber im Moment keine Therapie.
                  Hab eh keine Böcke auf Halluzinogene, ich
                  nehme auch keinen Trip mehr!
 
 Das Ganze wäre als Touristenattraktion
                  interessant, probieren geht über studieren.
                  Mich reuen auch die 25 Dollar und der Typ War so
                  ein Cleverle-Indiano, so ein
                  Nachbarschaftshaus-Gostenhof-Indianer.
 
 Dann sind da noch ein supercooler New Yorker, der
                  sich für das letzte Coca-Cola vor der
                  Wüste hält und eine australische
                  Akupunkteuse. Es läuft die selbe CD, die auch
                  bei mir zuhause in Nürnberg aufliegt, Ry
                  Cooder & Ali Farka Toure, wird das nicht
                  langweilig? Wird das zur Welt-Langeweile?
 
 
 22.1.1995
 
 Downtown. Im Hotel Bolivar den Tagesteller: Lomo
                  Stroganoff a la Mensa. Die Bar ist dunkel,
                  wäre ein gutes Versteck für Knut
                  Näke, vergleichbar mit dem Hotel Europa in
                  Prag. Wer will in dieser nach Pisse stinkenden
                  Umgebung wohnen?
 
 Fernando wird von einem Straßenräuber
                  die Sonnenbrille vom Kopf gerissen, so schnell,
                  dass ich es kaum wahrnehme, der Dieb, ein Junge,
                  sprintet davon. Eine Warnung aufzupassen. Bestohlen
                  zu werden hat immer etwas demütigendes.
 
 
 23.1.1995
 
 Die Hundehütte im Garten gemalt, wie so oft
                  mit 22.1. falsch datiert. Manolo ist da.
 
 
   Aus Mangel an Lektüre ein Art-Heft über
                  New York gelesen, es könnte einem schlecht
                  werden. $$$.
 
 
   
 24.1.1995
 
 Der Textilmarkt von Lima in der Gegend von La
                  Victoria, einem üblen Viertel. Hier sollen die
                  Mieten und Grundstückspreise am höchsten
                  sein, obwohl es stinkt und der Straßenbelag
                  aus plattgewalzten Abfällen besteht. Hier wird
                  produziert und verkauft. Betty kauft Plüsch
                  ein. Eine Schneiderin wird aufgesucht, Theresa,
                  Josefa und Manolo sind dabei. Ein Hemd für
                  mich zu nähen, würde 10 Soles (7,50 DM)
                  kosten. Noch einmal in dieses Viertel? Es werden
                  auch Talismane und Amulette gehandelt.
                  Essensstände. Die Läden sind jeder
                  Installation eines Künstlers überlegen.
                  Schaufensterpuppen stehen aneinander gereiht in
                  engen, langen Gängen, man muss sich an ihnen
                  vorbeiquetschen, dazwischen steht dann auch mal ein
                  Mensch, eine surreale Angelegenheit. Angepinnt an
                  eine pinkfarbene Wand rings um ein Bildnis des
                  Herrn Jesu, ein Arrangement von Slips und
                  Damenstrümpfen
 
 
   
 25.1.1995,
                  Mittwoch
 
 Mit dem Mikro(bus) nach Punta Hermosa. Wut auf
                  diesen Geizkragen Felix, er kann in seiner eigenen
                  Kneipe keinen Wein ausgeben Bin selbst knapp bei
                  Kasse. Verdorbenes Sandwich gegessen in eben dieser
                  Kneipe La Rodonda, die ganze Nacht gekotzt und
                  geschissen.
 
 
 26.1.1995,
                  Donnerstag
 
 Lange geschlafen, um mich von der letzten Nacht zu
                  erholen, dann in die Neubau-Slums, um eine Bodega
                  zu malen, die orange getüncht ist. Verwende
                  dazu eine orange grundierte Leinwand. Bekommen die
                  Bilder durch die Nicht-Bewältigung der selbst
                  gestellten Aufgabe ihren Reiz? Bei Soutine habe ich
                  manchmal den Eindruck, es findet ein verzweifelter
                  Kampf zwischen der Vorstellung von einem Bild und
                  dem real entstehenden Bild statt. Also, das Bild
                  hat seinen Reiz. Sehr nette Reaktion der ganz
                  lieben Menschen, die dort leben.
 
 
   3 Bananen auf dem Markt gekauft, 40 Pfennig, 8
                  Stück für 1 Sol.
 
 Bananen sind super gegen Durchfall, jedenfalls
                  gegen den peruanischen.
 
 SPANISCH
 más tarde - später
 ahora - jetzt
 pronto - bald
 mediodia - Mittag
 ayer - gestern
 
 
 27.1.1995
 
 Badetag, Urlaubstag, Swimmingpool voll chicas. Jim
                  Avignon kommt an, ich bekomme den SPIEGEL und bin
                  glücklich. Ein Artikel über den Autor
                  Lettau, sein Buch FLUCHT VOR GÄSTEN hat eine
                  interessante Rezension.
 
 
 28.
                  1.1995, Samstag
 
 Zurück nach Lima, alleine. Fahre im KOMBI die
                  Benavides entlang Richtung Larco, vorbei an
                  Rodrigos Haus, sehe seinen Käfer stehen.
                  Tausche D-Mark. Kaufe einen Kodak Film für 9
                  Sol (7 Mark), 36 Aufnahmen 100 ASA GOLD. Ich kann
                  durch den Kauf des Filmes noch eine Disney Uhr
                  für 4 Sol ersehen, das weiß ich aus der
                  Fernsehwerbung, 4 verschiedene Motive aus dem
                  Zeichentrickfilm DER KÖNIG DER LÖWEN, ich
                  nehme die schönste.
 
 
   Drei untergetauchte hübsche
                  Mestizen-Mädchen im Pool: "Hast du eigentlich
                  das schöne Kleid wieder mal angehabt?" "Ja, an
                  Weihnachten hab ich es angehabt." (Fernando hat mir
                  übersetzt)
 
 
   Telefonieren zwecklos. Im Kennedy Park: Salsa.
                  Treffe Jim Avignon mit Manolo und Theresa im
                  Haiti.
 
 21 Uhr. Bin solo unterwegs, im Micro nach Barranco.
                  Bin stolz, alles im Alleingang zu managen. Steige
                  an der richtigen Stelle aus, nehme einen "Pisco de
                  la casa" und ein Krüglein Bier bei Juanito und
                  sitze jetzt in einer kleinen Pizzeria. Will morgen
                  hier in Barranco malen, es ist so malerisch. In der
                  Buchhandlung gegenüber liegt ein Buch im
                  Schaufenster. Über die Alte Pinakothek in
                  München, der Umschlag zeigt: Dürers
                  Selbstportrait. Habe hier in meinem Büchlein
                  zusammen gefaltet den Plärrer-Titel mit mir
                  als Albrecht Dürer, wäre Stoff für
                  eine nette Anekdote.
 
 
   
 Opus
 War in der Salsa Disco,
 geh wieder raus auf die Straße,
 will mich besaufen.
 
  walking
                  through the city  steh an der Bar
 und denk, wie soll das alles weiter gehn,
 noch ein Pisco?
 Ein großes BLAUES BILD
 Voll besoffen - just - schöne Uhr -
 
  walking the streets of Lima  wie soll es weiter gehn
 I walked the streets of ...
 Wo las ich:
 Wenn es sich zu leben lohnt,
 dann für die Kunst
 besoffen
 
  Fremde in der Nacht  ein Bass für Franco
 Deutsche Zeitungen prophezeien Arbeitslosigkeit
 Eben im Cafe Haiti DIE WELT
 ARBEITSLOSE
 Habe ich den richtigen Beruf?
 Selbstzweifel
 Möchte nie ein wichtigtuerischer
                  Schriftsteller sein.
 Klugscheißer ist ein schönes Wort
 der Chef ist klein und O-beinig
 er ist der Chef
 schöne Menschen sind die Ausnahme
 saufen - sterben
 schöne Uhr
 gelb und schwarz auf braunem Arm
 die kleine Form hält einen davon ab zum Punkt
                  zu
 kommen
 ein Witzchen hier, ein Witzchen da
 möchte aber auch kein Klugscheißer
 Wichtigtuer sein
 War trotzdem gerührt
 als sich die Leute in P. Hermosa gefreut haben,
 dass ich ausgerechnet ihr Haus gemalt habe.
 Wie der Inder: "What`s your name?"
 besoffen
 schöne Uhr
 wie soll es weiter gehn?
 SCHÖNER LEBEN
 SCHÖNER SEIN
 DARWIN
 Hatte Darwin Kinder?
 Nur wer 7 Sprachen fließend spricht hat eine
                  Chance
 oder er ist schön
 dann 5 Jahre
 Surfen als Surrogat der MIDDLECLASS
 Oh Rodrigo-
 Sehnsucht nach Unschuld
 unschuldige Menschen sind beruhigend
 oder?
 Hemingway war doch oft in Peru
 - Lima ist ein Literarisches Pflaster
 - Für Maler eher schwierig
 - Wie Prag
 INDISCHE MOTIVE
 Jugend unschuldig mit Strohhalm
 nicht nennen den Namen!
 je später der Abend
 ich muss pissen
 aufgehen
 zulangen
 schöne Mädchen zu zweit ins nach Pisse
                  stinkende Klo
 DAMAS
 Schreibst du für dich ist es
                  überflüssig
 Schreibst du für Leser dann lügst du
 Kafka wusste über dieses Dilemma
 FAUST ist Goethes bester Song.
 Menschen begegnen Geld verdienen Mensch
 Glaub ich bestell mir noch ein Bier
 Notfalls schlaf ich im Park
 will die Kunst so dumm halten wie ich kann
 auf den Verstand des Herzens vertrauend
 Zita
 Rodrigo
 Gilda
 tampoco heißt genauso wenig
 zu Eva hab ich gesagt:" Die Kunst soll den Menschen
                  die
 Angst vor dem Tod nehmen
 das stimmt nur bedingt
 eigentlich soll die Kunst (ich)
 den Menschen die Angst vor dem Leben nehmen
 RELIGIO
 Agatha Christie
 Ich gehe am englischsprachigen Theater Limas
                  vorbei
 nach der Vorstellung
 ich liebe Agatha Christie
 Toreros kämpfen vor Klopapierrollen
 auf Plakaten
 wie immer gegen den Stier
 Amerika ein Abklatsch von Europa
 Asien ist konträr
 lupo del mar
 die Katze
 im Osten ist die Weisheit
 geht ein Chinese gen Westen ist er im Osten
 muss nach hause will aber nicht
 ART PEN
 schöne Uhr
 werde sie an ein Kind verschenken
 bin hier schön anonym
 Sprüche des Vaters gehen mir durch den
                  Kopf
 wird er noch leben wenn ich nach hause komme?
 schön und nicht schön nebeneinander
 wie schön!
 Eifersucht?
 Warum kommt Rodrigo nicht?
 Morgen
 
 
 
 29.1.1995
 
 Bei Nadar auf der Geburtstagsparty. Er ist Maler,
                  in meinem Alter. Seine Eltern sind vor 40 Jahren
                  aus Syrien eingewandert. In ihrem Haus findet die
                  Party statt. Reich, protzig auf eine
                  bemitleidenswerte Art. Der Kitsch der
                  Türkenläden, etwas teurer, aber nicht
                  echt.
 Madonnen der Hochrenaissance aus dem Holz der
                  Gründerzeitmöbel.
 
 Es dreht sich ein Dönerspieß (Schawarma)
                  im Garten, wie ich es im Spaß prophezeit
                  hatte. Schmeckt gut.
 Reichlich schöne Frauen, die sich reiche
                  Männer angeln wollen (ich sollte auch reich
                  werden), und reichlich Myers-Rum mit Cola.
 Halb besoffen hauen wir mit Rodrigo, seinem Bruder
                  Piero und Gilda ab, gehen in eine Bierbar mit
                  Tanzfläche in Miraflores. Wir tanzen und
                  trinken Bier.
 
 
          let the feet control your body
 let the feet control your body
 jumbo jumbo jumbo
 al mar
 
          
 ba ba ba
 ba ba ba
 
 
 30.1.1995
 
 Leicht verkatert aufstehen um 13 Uhr,
 male aber ein gutes Bild von einem Käfer.
 Die Kinder der feineren Leute sind feiner.
 Sie bringen mir einen Stuhl, sprechen englisch.
 
   
 31.1.1995
 
 Verabredung mit Alex. Er will Fotos machen,
                  während ich male. Barranco, Puente De Los
                  Suspiros. Schönes Bild, bin gespannt auf die
                  Fotos.
 
 
   
 
   
 1.2.1995
 
 Telefoniere mit Barbara, dass sie mir Kohle zur
                  Banco de Credito schickt. Gott sei dank habe ich
                  Fernando auf der Straße vor der
                  Telefongesellschaft getroffen, denn diese
                  Wild-West-Company (Technikchaos) will auch noch
                  betrügen. Ein Angestellter will mir eine
                  Minute, 8 Sol, zu viel berechnen, Fernando
                  protestiert, ich bekomme 8 Sol zurück.
 
 Ich will auf der Höhe der
                  Kommunikationstechnik sein, wenn ich zurück in
                  Deutschland bin. Ich will FAX!
 
 
 2.2.1995
 
 Tagestrip nach Punta Hermosa mit Theresa, wir
                  fahren durch Barranco und das anschließende
                  Viertel (malerisch arm).
 
 Ganz am Stadtrand in La Campiña liefert
                  Theresa Einladungen in einer Keramik-"Fabrik" ab.
                  Eine Töpferei wie im Jahr 2000 vor Christus.
                  Schlämmgruben im Boden, unter Bäumen
                  Haufen von fertigen Teilen. T. will mit diesem
                  Töpfer in der Galerie eine Installation
                  machen. Halte ich ausnahmsweise mal für eine
                  gute Idee. Würde ich selbst gerne gestalten.
                  Brauche ein neues Buch, glaub ich.
 
 
 3.2.1995
 
 Tagestrip nach Punta Hermosa. Am Strand mit Hund
                  gespielt.
 
 
   
 4.2.1995
 
 Radio Bar Party Ausstellung.
 Finde morgens um 5 Uhr Polizeipfeife in
                  Miraflores.
 Suzanna ist interessant ohne ihren Argentinier.
 
 
 5.2.1995
 
 Mit Rodrigo nach Chinatown in ein sehr chinesisches
                  Restaurant. Die kamen erst hier an aus China,
                  stehen auf fettes Fleisch und ranzigen Geschmack.
                  Vereinzelt finden sich Knochen im Speckreis. Der
                  durchschnittliche Chinese ist ein Ferkel. Und auch
                  in peruanischer Kost findet sich ein Haar, dann
                  denkt man sich nach Schweden oder beginnt
                  Industriekost zu goutieren.
 
 Betty hat einen hysterischen Anfall. Wegen Jim
                  Avignon sagt sie. Okay.
 
 Eine blattvergoldete Mülltonne?
 Keine Angst vor Kitsch.
 
 
   
 6.2.1995
 
 Abends bei Leslie, das ist Fernandos Ex-Professor,
                  zum Essen. Fernando sagt, Leslie hat schon 2 Frauen
                  und ein Kind verloren. Hat momentan (ich sage)
                  Schönheitskönigin zur Freundin. 2 Kinder.
                  Er ist auch ein schöner Mann. Wird ganz netter
                  Abend. Seine Bilder hauen mich nicht um.
 
 
   Das zweite Buch Peru
 
 Das erste Buch Peru ist voll. 1. 95 - 6.2.95. Heute
                  ist also der 7.2.95 und da ist nicht viel
                  geschehen. Das Geld, das Barbara überwiesen
                  hat, ist angeblich morgen abzuholen, sagte man mir
                  auf der Bank. Will dann gleich ins Reisebüro
                  und einen Flug nach Cuzco kaufen (60 $). Lima
                  beginnt, langweilig zu werden. Ist ja
                  schließlich auch meine touristische Pflicht,
                  was zu sehn. Weg!
 
 Up and away. Hab eben in Barranco auf einer
                  Parkbank den Krimi von Rodrigo ausgelesen: Kinky
                  Friedmann FREQUENT FLYER
 tofu
                  matress für Futon.
 If somebody dies in Austin they say "he goes to
                  Willie Nelsons house".
 
 When you have been to America, its allways nice to
                  come back to New York.
 
 As Geronimo said, in turning down the offer of a
                  Cadillac from the U.S. Gouvernment, "Man ride in
                  car - nobody looks. Man ride horse - everybody
                  looks."
 
 The only funeral you´ve got the right to stop
                  the music, is your own, and that's a full-time
                  job.
 
 
 
 8.2.1995
 
 Die Datumsanzeige meiner Uhr ist einen halben Tag
                  hinterher, das Datum wechselt erst am Mittag;
                  könnte fatale Folgen haben, muss das gleich
                  ändern. Die Kohle ist angekommen, Barbara ist
                  wenigstens keine Trutsche! Bin erstaunt, dass es so
                  gut funktioniert, lass mir in Zukunft öfters
                  Geld überweisen, ha, ha.
 
 Es ist übrigens Krieg. Die Ecuatorianer machen
                  Zoff an der Grenze, Verhandlungen haben nichts
                  gebracht. Scheint ein periodisches Spiel und
                  Ablenkungsmanöver der Militärs beider
                  Seiten zu sein, haben schließlich sehr unter
                  Drogenskandalen gelitten. Natürlich geht kein
                  weißer Soldat in diesen Krieg, das hat in
                  Peru Tradition. Nur als die Chilenen im letzten
                  Jahrhundert wirklich vor Lima standen, griffen auch
                  Weiße (Professoren, Geschäftsleute) zu
                  den Waffen, und sie feiern sich heute noch. Die
                  Armee besteht fast nur aus indianischen und
                  mestizischen Soldaten. Weiße findet man in
                  der Marine.
 
   
 
 10.2.1995
 
 Jetzt sitze ich also im Cafe WIRACOCHA mit der
                  "blauen Tür" und den blauen Fenstern und dem
                  netten Kellner alter Schule. Nachmittags trägt
                  er keinen Frack, dafür einen adretten
                  ärmellosen Pullover über dem weißen
                  Hemd. Hier scheint sich die Literaturszene
                  vorgerückten Alters zu treffen, Herren, die
                  Anzug und Krawatte tragen, richtig angenehm im
                  Vergleich zu den Govindas.
 
 Gestern wollte ich gleich zurück nach Lima,
                  Cuzco ist wie eine Stadt in den welschen Alpen.
                  Massen von Touristen, Wanderer, die ich sowieso
                  nicht leiden kann, sie sind immer so stolz auf ihre
                  Leistung, zum Kotzen. Ich dagegen lebe wieder voll
                  ungesund. Gestern Nacht in der Kamikaze-Disco 50
                  Eier versoffen. 2 männliche, 1weibliche
                  Deutsche aus Schrobenhausen, der Stefan hat gleich
                  ein Mädel aufgerissen.
 Rucksack-Kids laufen vorbei.
 
   Ich will zurück nach Lima, Maccu Piccu habe
                  ich gestrichen.
 
 Ein kleiner Junge vor dem Fenster, er zeigt mir
                  Postkarten, ich winke ihn rein und kaufe ihm zwei
                  ab. Mir brummt der Schädel und hinter mir
                  sitzt ein Mädel, mit ihrem Freund, ein
                  Schweizer. Ich geh jetzt das Ticket kaufen.
 
 
 11.2.1995
 
 Habe das Ticket gekauft, Domingo 7.50 Uhr nach
                  Lima. Das südamerikanische Rothenburg vermag
                  mich nicht zu fesseln. Können Dinge durch zu
                  viele Betrachter uninteressant werden? Ist
                  außerdem teuer, Sightseeing hier. Ein
                  Fußballspiel hätte ich mir gerne
                  angesehen, es gibt ein Stadion. Mit der
                  indianischen Kultur kann ich überhaupt nichts
                  anfangen, lasse mich auch nicht richtig darauf ein.
                  In der Disco war ein
                  Nachbarschaftshaus-Gostenhof-Indianer, fragt mich:
                  "What do you want in this country?" Ein Indianer in
                  der Disco. Ich sage: "Dancing".
 
 Irgendwie ist mir alles zu schön hier, ich
                  kann absolut kein Geheimnis sehen, es ist wie Fotos
                  betrachten.
 Wenn ich dagegen an die Kirche in Lima denke, die
                  in keinem Reiseführer steht, mit den Aquarien
                  in der Weihnachtskrippe! Außerdem friere ich
                  des Nachts, und die dünne Luft bekommt mir
                  auch nicht.
 
 Jetzt bin ich bei meinem Spaziergang durch Cuzco in
                  der QUINTQ ZARATE gelandet. Durch einen
                  spanisch-maurischen Innenhof gelangt man auf
                  überdachte Terrassen, die mit Andenflora
                  überwachsen sind. Scheint ein beliebtes Lokal
                  bei den Einheimischen zu sein. Überhaupt, es
                  ist wie überall, ein paar Straßen ab vom
                  Schuss und die Rucksackarschlöcher sind nicht
                  mehr zu sehen. War ja selbst mal mit dem Rucksack
                  unterwegs.
 
 Eben ein gewebtes Band von einer netten
                  Indianerfrau gekauft, cirka 6 Mark, für einen
                  Tag Arbeit.
 
 
   
 
 12.2.1995
 
 Sitze am Airport Cuzco. Habe eben im Hotel noch
                  einen Ami getroffen, der hier in der Gegend junge
                  Bullen aufkauft und nach Lima schafft. Dort werden
                  sie bis zum Schlachten noch 90 Tage gemästet.
                  Bis Lima sind sie 2 Tage im Camion unterwegs.
 Abends Trockensuppe bei Fernando.
 
   
 13.2.1995
 
 Punta Hermosa, ein uninspiriertes Bild wird
                  übermalt.
 
 
 14.2.1995
 
 Punta Hermosa, selbige Leinwand wird gereinigt und
                  der Swimmingpool von Casa Barco wird gemalt,
                  allerdings ohne Chicas, ich verspreche ihnen das
                  nachzuholen. Schaue auf dem Heimweg bei Rodrigo
                  vorbei und treffe Betty und Fernando dort an. Kaufe
                  Wein und Bier und Schimmelkäse.
 
 Ein chilenischer Freund und dessen Freundin Fortuna
                  (die Schlange) sind da. Erst war sie hübsch,
                  als sie dann blau wurde, sah sie wild und
                  gefährlich aus. Alle zusammen, es ist
                  Valentinstag, nach Barranco, ins Lima Antiqua,
                  weitersaufen.
 4 Uhr morgens nach Hause. Und jetzt 5000 Küsse
                  im PARQUE DEL AMOR: Ich muss sparen.
 
 
 15.2.1995
 
 Hans Platschek zitiert in der FAZ vom 10.2.
                  Nietzsche, in einem Beitrag zum 60. von Konrad
                  Klapheck.
 
 Zu Klaphecks Kleiderordnung aus MENSCHLICHES,
                  ALLZUMENSCHLICHES. Absatz 175:
 
 "Die Mediokrität ist die glücklichste
                  Maske, die der überlegene Geist tragen kann,
                  weil sie die große Menge, das heißt die
                  Mediokren, nicht an Maskierung denken lässt:
                  und doch nimmt er sie gerade ihretwegen vor - um
                  sie nicht zu reizen, ja nicht selten aus Mitleid
                  und Güte."
 Ich fahre jetzt nach Punta Hermosa, um zu malen und
                  zu sparen. Weia!
 
 
 21.2.1995
 
 Was ist inzwischen passiert? Am 17. war
                  Abschiedstreffen bei Fernando, etwas lau, aber
                  anschließend mit Gustavo und Raoul Mondragon
                  unterwegs gewesen. Geld ausgegeben, die Peruaner
                  haben keins und wenn, dann rücken sie es nicht
                  raus.
 
 Am 18. spät aus dem Bett, Mate gekaut,
                  arrogant wie Sau. Flachmann Rum in Barranco. Am 19.
                  die Wahl zur Miss-Bikini-1995 in Punta Rochas. Hat
                  all meine Restkräfte mobilisiert.
 
 20. In Punta Hermosa herumgeärgert, wollen
                  Bilder für 100 Dollar.
 
 21. Pleite wie Sau, 18$ Flughafensteuer! Bild als
                  Gastgeschenk für Familie Bryce gemalt. Murat
                  schuldet mir 20$.
 
 Soll ich morgen wirklich noch nach Punta H., oder
                  in Lima noch ein gutes Bild malen? Ich glaub, ich
                  werfe `ne Münze.
 
 
 
 Ein neues Zeitalter soll anbrechen:
 Die Bevölkerungsexplosion
 Wird durch autoerotische Sexualität
                  gestoppt,
 feste Beziehungen gelten als unanständig.
 Teppichböden sind unter Androhung harter
                  Strafen
 Verboten.
 Der mit dem geringsten Aufwand am besten lebt, wird
                  als Volksheld verehrt.
 Der Mann dominiert die Frau, außer die Frau
                  schreibt ihre eigene Geschichte.
 Die Polizei ist allerdings rein weiblich, und die
                  Wände der Polizeiwachen sind alle mit rotem
                  Samt bespannt.
 Es gilt der Körper als sexy, dem etwas
                  Pathologisches anhaftet.
 In der Kunst bleibt alles beim Alten.
 Fernseh-Trash gilt als Kunstform und die geilsten
                  TV-Schlampen ersetzen die Madonnen
 (Madonna ist doch eine Schlampe).
 Strebsame, fleißige, geldgierige und
                  machtgeile Menschen werden gezüchtet. Sie
                  entwickeln Flugzeuge und Elektronikschrott.
 In jedes Haus ein Hund.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 Hier brechen die Aufzeichnungen ab.
 
 
 
 |